KI ist längst in Lehre und Bildung angekommen — aber hilft sie wirklich? Vier Studien der FHWien im Rahmen des Forschungsprojekts „KI in den Bildungseinrichtungen der WKW“ zeigen, wo Tools nützen, wo sie irritieren — und warum gute Zusammenarbeit oft mehr bringt als die Technik.
Mit den technischen Möglichkeiten von ChatGPT und Co. wächst das Bewusstsein für die Grenzen und Herausforderungen bei der Verwendung von KI-Tools – bei Lernenden ebenso wie bei Lehrenden. Zu diesen Ergebnissen kommen die Studien, die auf einer Lernenden-Befragung und Experimenten mit Lernenden sowie auf Fokusgruppen mit Lehrenden und einer vergleichenden Diskursanalyse aufbauen. Dafür befragten die Forschenden Lernende und Lehrende der Fachhochschule und des WIFI Wien sowie der Tourismusschulen MODUL und der Vienna Business School im Wintersemester 2024/25.
KI-Nutzung in Schule und Studium – manchmal mit Unbehagen
Die Befragung von über 1.500 Schülerinnen und Schülern sowie Studierenden zeichnet ein klares Bild:
- KI wird im Schul- und Hochschulalltag intensiv genutzt – speziell zum Zusammenfassen und Übersetzen von Texten, als Schreibhilfe und zur Ideenfindung.
- Als Motive für den KI-Einsatz wurden am häufigsten Zeitersparnis und die höhere Qualität der damit erzielten Ergebnisse genannt.
- Dabei zeigten sich Unterschiede zwischen den Altersstufen: Während Studierende KI-Tools gern zur Textoptimierung einsetzen, nutzen Schülerinnen und Schüler sie eher als Lernassistenten.
- Manche Befragte äußerten die Sorge, durch KI zu bequem zu werden oder Denkprozesse zu verlernen. Eine Schülerin berichtete, es habe sich „komisch angefühlt“, KI-generierte Inhalte als eigene Leistung zu präsentieren.
Lehrkräfte und KI – große Potenziale, aber auch Unsicherheit
In Fokusgruppen schilderten Lehrkräfte unterschiedlicher Bildungseinrichtungen, in welchen vielfältigen Bereichen sie generative KI schon einsetzen – von der Recherche über die Erstellung von Texten und Präsentationen bis zur Musik- und Bildgenerierung. Am häufigsten kommt dabei ChatGPT zum Einsatz. Gleichzeitig berichteten sie von Unsicherheit – etwa bei der Bewertung von Arbeiten, die mit KI-Unterstützung entstanden, beim Datenschutz oder bei der Korrektur von KI-generierten Antworten. Auch auf den Mangel an technischer Ausstattung wiesen die Lehrenden hin. Zugleich sehen sie große Potenziale: KI kann den Unterricht effizienter und kreativer machen – wenn sie gezielt und reflektiert genutzt wird.
Im Experiment schlägt gute Zusammenarbeit die KI-Nutzung
Im Rahmen des Forschungsprojekts arbeiteten Teams von Lernenden in sechs Experimenten an komplexen Aufgaben – mit oder ohne KI. Das Ergebnis: Der Erfolg hing weniger vom KI-Einsatz ab als von klarer Kommunikation, Rollenverteilung und gegenseitiger Hilfe. So erzielte ein Team ohne KI-Einsatz bessere Resultate als ein anderes mit KI-Unterstützung, weil es gut organisiert war. Andererseits verhalf die künstliche Intelligenz Teams zu innovativen Ideen wie jener, Solarpaneele nicht nur zur Stromgewinnung, sondern auch für die Gebäudekühlung durch Schattenwurf zu nutzen.
Für Projektleiterin Tilia Stingl de Vasconcelos Guedes vom Department of Digital Economy „sind solche Studien unerlässlich, um rasch und zielgerichtet auf die Entwicklungen im Bereich der generativen KI im Bildungsbereich reagieren zu können.“ Laut der FH-Professorin „wissen wir noch zu wenig über die langfristigen Auswirkungen von KI auf Menschen, Gesellschaft und die Zukunft.“ Für sie steht es aber außer Frage, „dass wir die Herausforderungen aktiv angehen wollen. Dafür braucht es motivierte Mitarbeitende und Lernende, um die Technologie so einsetzen, dass sie zur Lebensqualität beiträgt. Die dafür notwendige Orientierung liefern Studien wie diese.“
KI-Awareness – mehr als nur Prompting-Skills
Ergänzt wurde das Forschungsprojekt durch eine Analyse des öffentlichen Diskurses zu KI-Kompetenzen im deutschsprachigen Raum. Ihr zufolge steigen die Anforderungen an die KI-Kompetenz von Mitarbeitenden deutlich. Gefragt sind nicht nur Anwendungswissen wie Prompting, sondern auch analytisches Denken, Urteilsvermögen, Informationskompetenz und ethisches Bewusstsein. Um der dynamischen Entwicklung des Themas zu entsprechen, analysierte die IMWF Management- und Wirtschaftsforschung GmbH öffentlich verfügbare Medien, Social Media und Websites in zwei jeweils zwölfmonatigen Zeiträumen, zuerst 2023/24 und dann 2024/25.
Im Beobachtungszeitraum stieg die Bedeutung folgender Aspekte der beruflichen KI-Nutzung besonders stark:
- KI-Awareness – das Verständnis für Möglichkeiten und Grenzen von künstlicher Intelligenz
- KI-informierte Entscheidungsfindung – das reflektierte Einbinden von KI-Ergebnissen in berufliche Entscheidungen
- Datenschutz und rechtliche Rahmenbedingungen – hier hat sich die Häufigkeit entsprechender Medienbeiträge und Diskussionen seit 2023 versiebenfacht
Laut der Diskursanalyse spielt der Bildungssektor eine Schlüsselrolle im Umgang mit KI – noch vor dem Gesundheitswesen, dem Management und der Verwaltung. Dies gilt nicht nur für die Anwendung von KI-Kompetenzen, sondern auch für deren Vermittlung.
Sieben Aufgaben für Bildungseinrichtungen
Für Barbara Kluger-Schieder, Leiterin des Bildungsmanagements der WKW, zeichnen die Studien ein differenziertes Bild der Herausforderungen, vor denen Schulen, Hochschulen und Kursanbieter beim Trendthema KI stehen: „Die Projektergebnisse zeigen, wie wichtig der menschliche Faktor beim Einsatz von KI ist. Analytisches Denken, Teamarbeit und ethisches Bewusstsein sind ebenso entscheidende Kompetenzen wie technische Kenntnisse. Dem tragen die Bildungseinrichtungen der Wirtschaftskammer Wien Rechnung – sowohl intern als auch in ihren Aus- und Weiterbildungsangeboten.“
Um KI-Tools sinnvoll, effizient und rechtskonform einsetzen zu können, empfehlen die Forschenden den Bildungseinrichtungen, folgende Aufgaben in Angriff zu nehmen:
- Technische Infrastruktur ausbauen
- Rechtliche Rahmenbedingungen klären
- Lehrende praxisnah fortbilden
- Kritische Medienkompetenz fördern
- Didaktik weiterentwickeln
- Teamarbeit und soziale Dynamik stärken
- Best-Practice-Beispiele teilen
>> Weitere Informationen zum Projekt „KI im Bildungsbereich der Wirtschaftskammer Wien“.