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Ratio-Bias: Gewinnchance von 9:100 statt 1:10 bevorzugt

29. April 2022

Viele Entscheidungen im Alltag basieren auf numerischen Informationen. Größere Zahlen suggerieren dabei subjektiv eine höhere Wertigkeit. Senior Researcher David Bourdin geht auf den Grund, warum einer objektiv geringeren Gewinnchance oft der Vorzug gegeben wird.

„Soll ich mir Wattestäbchen aus Bambus kaufen, um das Unternehmen zu unterstützen, das 30 Tonnen Plastikmüll pro Jahr einspart?“

„Soll ich wirklich das Hotel mit einer Bewertung von 7,8/10 buchen?

„Soll ich mich mit einem Impfstoff impfen lassen, der bei 2 von 10.000 Menschen schwerwiegende Nebenwirkungen auslöst?“

Forschungsergebnisse zeigen, dass unterschiedliche Darstellungen von objektiv identischen numerischen Informationen zu kognitiven Verzerrungen und somit zu großen Unterschieden in der subjektiven Wahrnehmung führen können. Ein Beispiel für so ein Phänomen ist der „Ratio-Bias“, also die Überschätzung einer Wahrscheinlichkeit, die anhand größerer Zahlen ausgedrückt wird, gegenüber einer gleichwertigen oder sogar höheren Wahrscheinlichkeit, die anhand kleinerer Zahlen ausgedrückt wird. David Bourdin, Senior Researcher an der FHWien der WKW, hat zusammen mit Ayşegül Engin und Rudolf Vetschera vom Department of Business Decisions and Analytics der Universität Wien diese kognitive Verzerrung in seinem Artikel „Is there more than one ratio bias? If so, why?“, der im Journal of Behavioral Decision Making veröffentlicht wurde, näher untersucht.

Subjektive Wahrnehmung verzerrt Entscheidungsfindung

Warum wird eine Lotterie mit einer Gewinnchance von 9:100 gegenüber einer Chance von 1:10 bevorzugt? Bisher war unklar, welche individuellen Eigenschaften den „Ratio-Bias“ verstärken, in welchen Entscheidungskontexten er auftritt und ob irrationale Entscheidungen schneller oder langsamer getroffen werden als rationale. Die drei Forscher sind diesem Phänomen in einer Serie von drei Experimenten auf den Grund gegangen und haben dabei einige überraschende Ergebnisse mit hoher Praxisrelevanz festgestellt:

▶ Personen mit hohem Zahlenverständnis und hoher Risikokompetenz sind weniger anfällig für den Ratio-Bias.

▶ Überraschenderweise werden logisch korrekte Entscheidungen schneller und intuitiver getroffen als irrationale Entscheidungen.

Mit zunehmender Wahrscheinlichkeit verlagern sich die Abweichungen von der Bevorzugung der Alternative mit der hohen Zahl zur Bevorzugung der Alternative mit der niedrigen Zahl. Mit anderen Worten: Während die Menschen dazu neigen, 10:100 für wahrscheinlicher zu halten als 1:10, scheint das Gegenteil für 90:100 und 9:10 der Fall zu sein.

Manipulation durch Darstellung?

Dieser letzte Befund stellt die gängige Meinung über den Ratio-Bias in Frage, der immer als eine konsistente Abweichung hin zu höheren Zahlenverhältnissen beschrieben wurde. Die Untersuchungen deuten jedoch darauf hin, dass es keinen einheitlichen Ratio-Bias gibt, der für alle Einstellungen verallgemeinerbar ist. Die Studienergebnisse lassen aufhorchen, wenn man bedenkt, dass viele Unternehmen und Organisationen ihre Behauptungen mit Zahlen zu untermauern versuchen. Treten wir daher einen Schritt zurück und ziehen wir bei unseren Entscheidungen doch einen rationaleren Ansatz in Betracht, vor allem, wenn es z. B. um sowas wie unsere Gesundheit geht.

Sie können den wissenschaftlichen Artikel kostenlos lesen und herunterladen:

>> Artikel hier downloaden

 

Kontakt:
David Bourdin, BA MSc PhD
Senior Researcher
Tel.: +43 690 40 476 074
david.bourdin@fh-wien.ac.at