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„Und dann, nach COVID-19?“ Ein digitaler Ausblick.

19. März 2021

Welchen Ausblick gibt es für die kommenden Monate, für das „Danach“ der Corona-Krise? Und wie kann Digitalisierung dabei helfen? Ein Beitrag von Dr. Georg Feldmann, Leiter des Stadt Wien Kompetenzteams für Digitalisierung der Kommunikationsprofessionen der FHWien der WKW.

Die EU hat wenig Erfolg bei der Bewältigung der COVID-19-Krise. Die Maßnahmen, die ergriffen wurden, um die Pandemie einzudämmen, sind für viele nicht mehr nachvollziehbar. Der Unmut steigt, der Ton wird rauer. Die Gesellschaft wird brüchiger, Konsensbildung immer schwerer. Was also tun? Welchen Ausblick gibt es für die kommenden Monate, für das „Danach“ der Krise? Und wie kann Digitalisierung dabei helfen? Das Stadt Wien Kompetenzteam für Digitalisierung der Kommunikationsprofessionen an der FHWien der WKW hat sich dazu einige Gedanken gemacht.

Zuerst die schlechte Nachricht

Nach einem Jahr Krisenbewältigung sind wir endgültig eine „Müdigkeitsgesellschaft“ geworden. Es gibt immer mehr psychisch kranke Menschen, besonders stark betroffen ist die Jugend. Abgesehen davon ist auch unsere physische Gesundheit bedroht. Wir bewegen uns zu wenig, essen zu viel und betreiben stundenlanges Binge Watching. Sehr viele werden in den kommenden Monaten ihren Job oder ihr eigenes Geschäft verlieren, das gesamte System ist in Bedrängnis. Es gibt derzeit keinen Grund anzunehmen, dass in absehbarer Zeit irgendetwas besser wird.

Zusätzlich finden sich zahlreiche Gruppierungen, die die aktuellen Gegebenheiten und deren Folgen nicht akzeptieren wollen, die ihre eigene Realität und Ideologie schaffen: Verschwörungstheoretiker, Corona-Leugner, Test- und Maskenverweigerer, Menschen, die Medien als „Systemmedien“ verunglimpfen, Fakten weitestgehend ignorieren und nur auf einige wenige Onlinequellen mit zweifelhaftem Ruf hören. Neben dem SARS-CoV-2-Virus gibt es somit auch ein ideologisches Virus, dem ebenso schwer beizukommen ist.

Nun die gute Nachricht

Die Menschen werden dort am erfinderischsten, wo die Not am größten ist. Das rasche Entwickeln neuer Impfstofftypen gegen COVID-19 ist nur ein Beispiel davon. Doch müssen wir uns vor allem HEUTE schon darüber unterhalten, wie die Zeit des Ausklingens der Pandemie genützt werden kann, damit die Dinge wieder ins Lot kommen. Dazu fünf Themen und Anregungen, die allesamt digitale Technologien im Fokus haben.

Therapie

Psychologische Unterstützung benötigen nicht nur Einzelne, nein, ganze Gesellschaften brauchen heute Therapien, zu groß sind mittlerweile die Spannungen. Die Debatten, um diese beizulegen, dürfen aber nicht auf Facebook, Twitter, Reddit oder Telegram beschränkt sein. Soziale Medien werden immer mehr zu Affektmedien, zum digitalen Pranger, mit hyperkritischer Tendenz. Zwischen Up- und Downvote existieren kaum mehr Zwischentöne. Dem muss man etwas entgegensetzen!

Nur was genau?

Am Beispiel der Kommunikationsstrategie rund um Corona lässt sich das gut erklären. Es war zwar einfach, Kritiken rund um jede Maßnahme nachzulesen. Aber es war kaum möglich, hilfreiche, zielgruppenbezogene Fakten zu eruieren. Gerade digitale Technologien erlauben es aber, sowohl Interessen und Anliegen abzufragen als auch daran angepasste, spezifische Informationen zu bieten. Ein digital affiner Jugendlicher muss anders informiert und begleitet werden als ein „Best Ager“. Die Wissenschaft hat sich zu sehr auf „Inzidenzen“ und „Reproduktionszahlen“ fokussiert. Genauso wichtig wäre es von Anfang an gewesen, auf allen verfügbaren Online-Channels die Stimmungen innerhalb diversester Gruppen zu erfragen und daraufhin maßgeschneiderten Content zu liefern. Digitaler Content kann und soll auf den unterschiedlichsten Kanälen informieren, aber eben auch anleiten, Verhaltenstipps geben, Expertisen verständlich machen, beruhigen und derart Konflikte verhindern helfen.

Medien

Mediale Dispute, die spalten, das gibt es zur Genüge. Daher sollten in aufgeheizten Zeiten mediale Auftritte implementiert werden, deren Grundfunktion auf EMPATHIE abzielt. Solche Plattformen müssen einerseits für besonders belastete Zielgruppen alle verfügbaren, konkreten Hilfemöglichkeiten anführen; andererseits sollte es die Möglichkeit geben, laufend Feedback über die größten Probleme während der Krise geben zu können. Nur so kann Politik und Wirtschaft überhaupt wissen, wo der Schuh drückt. Medien kommt hier eine zentrale Aufgabe zu. Denn viele Probleme werden auch dann bestehen bleiben, wenn die Krise irgendwann ausklingen sollte. In dieser Phase wird es essenziell sein, dass Medien sich stark auf sämtliche Chancen fokussieren, die den wirtschaftlichen Corona-Opfern offenstehen. Dabei muss das Thema der Digitalisierung ganz oben auf der Liste stehen.

Politik und Digitalisierung

Ohne Zweifel werden wir in Österreich scheitern, wenn wir es nicht schaffen, den Ansprüchen einer neuen, digital orientierten Welt zu entsprechen. Im „IMD World Digital Competitiveness Ranking“ liegen wir weit hinter Schweden oder Dänemark. Ein kontinuierlicher Lernprozess für wachsende digitale Kompetenzen muss daher im privaten, schulischen und unternehmerischen Bereich gefördert werden. Das bedeutet: 5–6 Stunden wöchentlich sollten für digitale Kompetenzbildung investiert werden. Arbeitgeber und Bildungsinstitutionen müssen das ermöglichen. Arbeitende Menschen, Lehrende, Studierende und Schüler müssen diesen Anspruch in ihre Gene aufnehmen, nur dann können wir mithalten.

Initiative Unternehmen

Genau aus den genannten Gründen darf dieser Anspruch an der wirtschaftlichen Elite nicht spurlos vorübergehen. Sie trägt Mitverantwortung dafür, dass digitale Initiativen auch umgesetzt werden. Sie muss eine ambitionierte Lernkultur schaffen und zudem ihre eigene Mission hinterfragen. Gerade in Krisenzeiten müssen alle mitanpacken, das große Ganze im Auge haben. So haben Gucci und H&M am Beginn der Pandemie ihre Social-Media-Kanäle für Organisationen wie die WHO geöffnet. Das kann aber nur ein Anfang sein. Jedes Unternehmen muss darauf achten, vollen Einsatz für eine ausgeglichene Gesellschaft zu zeigen, wenn es Relevanz haben will.

New Work

Corona hat eine Entwicklung losgetreten, die wohl nicht mehr zu bremsen ist. Wir wissen nun, dass betriebliche Koordination per Videostream, Telefonat und E-Mail gelingen kann. Das Homeoffice hat sich durchgesetzt. Lange wird es nicht dauern, bis erste Forderungen laut werden, diese Art Arbeit näher zu überprüfen. Das Videochat-Tool Sneek beispielsweise macht alle fünf Minuten Fotos von Teilnehmern, um feststellen zu können, ob wirklich alle konzentriert dabei sind. Mit der Software Interguard ist es kein Problem, eine Art Logbuch des Mitarbeiter-Onlineverhaltens zu erstellen. Wirtschaft und Arbeitnehmerschaft müssen hier eine Vertrauensbasis finden, damit man nicht plötzlich im eigenen Haus überwacht wird. Und Arbeitnehmerinnen müssen dabei unterstützt werden, jene technische Ausrüstung zur Verfügung zu haben, die für diese Art digitale Arbeit vonnöten ist.

Sind alle hier Angesprochenen bereit, mitanzupacken, dann, aber nur dann, wird es auch nach Corona eine prosperierende Zukunft, ein gutes „Danach“ geben können.

Der Beitrag in verkürzter Form wurde nun auf medianet.at veröffentlicht:

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Zum Autor:

Dr. Georg Feldmann ist Leiter des Stadt Wien Kompetenzteams für Digitalisierung der Kommunikationsprofessionen der FHWien der WKW. Er forscht intensiv zu Digitalisierungstrends und deren Auswirkungen und unterstützt gemeinsam mit seinem Team die Lehre inhaltlich sowie didaktisch mit Inputs für eine innovative Distance-Lehre. Für Rückfragen steht er Ihnen gerne zur Verfügung: georg.feldmann@fh-wien.ac.at.