Den meisten Menschen sind Sie als Moderator der FM4 Morning Show bekannt. Sie sind allerdings schon lange vor der Gründung von FM4 nach Österreich gekommen, um für Blue Danube Radio zu arbeiten. Wie hat es Sie hierher verschlagen – und war Wien immer schon Ihre Traumstadt?
Freeman: Ich kannte Blue Danube Radio, das 1979 gegründet wurde, als die UNO nach Wien kam. Der Sender bot kurze Aufenthalte in Wien an, in deren Rahmen man für drei Wochen herkommen und hier arbeiten konnte. Das habe ich gemacht und es hat mir wirklich Spaß gemacht. Ich wurde gefragt, ob ich wieder hierherkommen möchte – und das tat ich.
Und dann begann FM4, 24 Stunden am Tag zu senden …
Freeman: Ja, und sie haben mich gefragt, ob ich die Morning Show moderieren will. Ich sagte: Meint ihr nicht, dass ich ein bisschen außerhalb der Alterszielgruppe liege? Und die Antwort war: Nein, du bist wie ein Jugendlicher und du kennst dich echt gut aus mit Musik. Also wollte ich für ein Jahr lang in Wien bleiben, schauen, was passiert und dann nach Australien gehen, um für die Radiostation Triple J in Sydney zu arbeiten. Naja, dann ist Folgendes passiert: Ich hab’s für ein Jahr versucht, und das ist jetzt 18 Jahre her und ich bin immer noch da.
Sie waren die erste Stimme on air, als FM4 im Jahr 2000 als Vollzeit-Sender startete. Was waren Ihre ersten Worte?
Freeman: Das war sicher »Good Morning Austria«. Und als ersten Song spielten wir »Good Vibrations« von Fatboy Slim.
Wie bereiten Sie sich auf ihre tägliche Show vor?
Freeman: Das passiert direkt nach der Sendung, da setzen wir uns zusammen und planen die Show für den nächsten Tag. Dann gehen der Co-Moderator und ich heim und der Tagesproduzent bereitet vor, was wir für den nächsten Tag brauchen. Am Abend gibt es dann ein Telefonat oder ein E-Mail, in dem wir klären, was wir für den Morgen haben. Außerdem hören wir uns die vergangenen Sendungen an und überlegen, welche Elemente gut funktioniert haben und was besser sein könnte.
Wählen Sie auch die Musik aus?
Freeman: Von der Musikabteilung bekommen wir eine Playlist mit elf oder zwölf Songs vorgegeben. Aber ich muss eine gute Mischung finden, nicht alle Songs passen zusammen. In der Morning Show haben wir auch einige Slots, in denen wir spontane Sachen machen können.
»Getting up early for the nation« ist einer Ihrer Leitsprüche. Wie früh stehen Sie für die Nation auf – und ist es für Sie immer noch schwierig?
Freeman: Nein, überhaupt nicht. Es ist viel schwieriger für mich aufzustehen, wenn ich nicht arbeiten muss (lacht). Wenn ich arbeite, stehe ich um 4:30 Uhr auf, dann bin ich zwischen 5 und 5:30 Uhr im Studio, um alles mit dem Producer vorzubesprechen. Um 6 Uhr starten wir dann.
Als Hörerin habe ich das Gefühl, dass Sie in der Früh immer gut gelaunt sind.
Freeman: Naja, lassen Sie es mich so sagen: Ich könnte nicht von 18 bis 22 Uhr arbeiten. Das würde mich umbringen. Ich moderiere die Morning Show schon seit so vielen Jahren, dass mir das frühe Aufstehen in Fleisch und Blut übergegangen ist.
Ihr »Germish« oder »Denglish« ist berühmt-berüchtigt. Ihre Begrüßung »Liebe Listener« kennt jeder FM4-Hörer. Was sind für Sie die lustigsten deutschen Ausdrücke und über welche »falschen Freunde« stolpern Sie?
Freeman: Ich mag den Ausdruck schau ma mal. Und ein falscher Freund, der mich immer zum Lachen bringt, ist das Wort Handy für Mobiltelefon, ein Wort, das niemand verwendet – außer den Österreichern. Sogar mein Cousin sagt: »I call you on your handy tonight.« Ein anderer lustiger Ausdruck ist Jeans: Auf Englisch würde man natürlich immer sagen »a pair of jeans«, aber hier sagt man ja sogar Jean, der Singular, der im Englischen gar nicht existiert.
Was fällt Ihnen beim Deutschsprechen am schwersten?
Freeman: Ich finde die Aussprache des Umlaut-Ü sehr schwierig, zum Beispiel in würde oder geübt. Auch lange Wörter sind schwierig, weil man jeden einzelnen Buchstaben aussprechen muss.
Sie leben seit mehr als 20 Jahren in Wien. Vermissen Sie irgendetwas?
Freeman: Ich bin nicht einer dieser Expats, der jeden Tag ins Irish Pub geht oder in den Expat Club oder sowas. Das passt nicht zu mir. Ich bin ziemlich gut integriert in Österreich und vermisse fast nichts. Außer Fußball, aber da gibt es mittlerweile ganz gute Möglichkeiten, englische Spiele zu schauen. Ich bin oft in Großbritannien, aber ich habe sicher nicht vor, zurückzugehen.
Wie finden Sie das österreichische Essen?
Freeman: Es gibt ein paar Dinge, mit denen ich mich einfach nicht anfreunden kann. Zum Beispiel Eierschwammerl, Knödel oder Schweinefleisch. Ich habe hier schon zu viel Schweinefleisch gegessen, für österreichische Verhältnisse bin ich wohl inzwischen Vegetarier.
Was sind Ihre Lieblingsorte in Österreich?
Freeman: Das Salzkammergut ist großartig, auch die grüne Umgebung von Wien, wo ich gern mit den Hunden spazieren gehe. Für mich ist Österreich das Paradies. Die Lebensqualität ist großartig!
Wie wichtig ist eine englische Radiostation für eine Stadt wie Wien?
Freeman: Sehr wichtig, das ist einzigartig. Zum Vergleich: In London gibt es nur einige ganz kleine fremdsprachige Radiostationen. FM4 ist sicher gut für Menschen, die ihr Englisch verbessern wollen.
Wenn Sie sich einen Morning-Show- Gast aussuchen könnten, wer wäre das?
Freeman: Hm, tot oder lebendig? Kurt Cobain wäre gut. Oder Robin Williams. Der englische Humor ist legendär.
Wie würden Sie den Unterschied zum österreichischen Humor beschreiben?
Freeman: Naja, Briten verarschen einander und regen sich darüber nicht auf. Manchmal wende ich britischen Humor bei Österreichern an, die glauben dann, dass ich mich über sie lustig mache, aber das stimmt nicht. Die Österreicher sind ein bisschen konservativer und reservierter, wenn es um Humor geht. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Wenn ich vom Tisch aufstehe und dabei ein Glas umwerfe, dann ist mein erste Reaktion: Oh, mein Gin ist weg! Die Österreicher würden sofort versuchen, alles sauberzumachen, damit es niemand mitkriegt. Aber ich finde auch den österreichischen Humor großartig, ihr habt großartige Kabarettisten wie Josef Hader. Sie sprechen Themen sehr direkt an, es braucht mehr wie sie.
Was halten Sie von der derzeitigen österreichischen Musikszene?
Freeman: Es gibt viel Gutes aus Österreich, wie beispielsweise Clara Luzia, Granada oder Wanda. Wir waren die ersten, die sie gespielt haben, und jetzt sind sie am Donauinselfest auf der Ö3-Bühne aufgetreten. Mit Bilderbuch ist es dasselbe. Also ja, es gibt viele großartige Bands, und ich erzähle das auch immer wieder meinen Freunden in Großbritannien.
Das Interview wurde auf Englisch geführt, kursive Begriffe hat Stuart Freeman auf Deutsch eingestreut.
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