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studio! Ausgabe 3/2014

Cover Story: Heiße Marken

Wie entstehen Kultmarken wie Manner oder Hard Rock Cafe? studio! hat sich bei Profis aus der Branche erkundigt – und ihnen dabei über die Schulter geblickt, wie sie auch die MedUni Wien zu einer starken Marke aufbauen.

von Eva Woska-Nimmervoll

Die rosafarbene Verpackung, der matrosenblaue, geschwungene Schriftzug und zwei knusprige Schnitten: Dieses Bild kennen wir – so gut, dass schon der Name »Manner« die Waffeln gedanklich knacken und die Haselnusscreme auf der Zunge zergehen lässt. Das Unternehmen verkörpert Tradition, weckt Kindheitserinnerungen und kann damit, letztlich ganz unromantisch, die Verkäufe steigern. Für die erfolgreiche Positionierung der Marke hat das internationale Marken-Kolloquium Manner im Juli einen Award verliehen: »Manner ruft Bilder im Kopf hervor, die uns positiv beeinflussen«, sagt die Jury, für die Emotionen bei der Markenentwicklung im Vordergrund stehen. Angenehme Gefühle würden langfristig an eine Marke binden und schaffen, dass Kunden loyal bleiben, Freude an der Marke haben – und kaufen und konsumieren. Da aber nicht jedes Label »zum Anbeißen« ist, variieren die Anforderungen an den Aufbau einer starken Marke: Bei Manner sind sie anders als bei der medizinischen Universität oder dem Hard Rock Cafe.

Das Leben rocken

Das Freiheitsgefühl bei seiner ersten Englandreise als Jugendlicher wird Hubert Nagele nie vergessen. Verbunden ist dieses Gefühl mit dem Besuch des Hard Rock Cafes in London, »Das war damals quasi Pflichtprogramm «, erzählt Nagele schmunzelnd. Heute befasst sich Hubert Nagele von Berufs wegen mit dem Hard Rock Cafe. Seine Agentur identum – Agentur für Markencharisma ist mit der Promotion des ersten Hard Rock Cafes in Österreich betraut. Die international etablierte Kette eröffnete kürzlich eine Niederlassung in der Wiener City – mit großem Erfolg. »Diese Kultmarke steht für einen Mix aus gutem Essen, Feiern, Musik – also einfach dafür, das Leben zu rocken«, erklärt Nagele. »Auch der Charity-Gedanke der Gründer spielt dabei mit.« Zwei amerikanische Hippies eröffneten 1971 das erste Hard Rock Cafe in London. Die Philosophie, auch immer für Bedürftige etwas zu tun und den Teamgeist hochzuhalten, prägte das Image der Marke nachhaltig. »Man kann als Agentur fast nichts falsch machen bei dieser facettenreichen Markengeschichte «, sagt Nagele. Bereits die Einladung zur Pressekonferenz anlässlich der Eröffnung rief großes mediales Echo hervor: »Wir waren erstaunt, welche Zugkraft diese Marke hat.« Vermutlich teilt Nagele seine persönlichen Erinnerungen mit vielen JournalistInnen des Landes, die in den 1980er- und 90er-Jahren als Jugendliche die Welt bereisten. Auch unter 30-Jährige zeigen sich, nicht nur via Facebook, begeistert. Das Hard Rock Cafe Vienna ist ein attraktiver Arbeitgeber – Hunderte Interessierte kamen, um sich um einen Job in Wien zu bewerben. Den Grund für die starke Arbeitgebermarke sieht Hubert Nagele darin, dass »die Organisationskultur stimmt – sie lebt von einem sinnstiftenden Thema«.

(c) Reinhard Lang

Was eine Marke killt ("Brand Genocide")

Produktionsfehler und Umweltskandale können dem Image nachhaltig schaden; aber es gibt auch eine »unerwünschte Nebenwirkung«, wenn die Marke zu erfolgreich ist: Wird eine starke Marke in der Alltagssprache zur Gattungsbezeichnung – zum Beispiel »Uhu« für Klebstoff –, so führt das zum Verlust bestimmter Markenrechte.

Magie des Mitgestaltens

Dieses braucht man, um eine Marke zu etablieren. »Zuerst muss sich die Führungsriege fragen: Warum stehe ich jeden Tag auf und gehe zur Arbeit?« Viel Geld zu verdienen sei ein Ergebnis und nicht die grundsätzliche Motivation, so Nagele. Meist stünden Pioniergeist, die Suche nach Perfektion, die Arbeit im Team oder gesellschaftlicher Nutzen an erster Stelle. Nagele ist sich sicher: »Die Mission des Unternehmens muss von möglichst vielen Mitarbeitern zu einem Leitmotiv ausgearbeitet werden.« Nur daraus lasse sich die Mission nach und nach in allen Unternehmensbereichen zum Leben erwecken: »Es liegt eine große Magie in dieser Mitgestaltung. « Erst dann sei an eine strategische Markenentwicklung zu denken, die längerfristig Erfolg auf allen Ebenen beschert. »Das Bewusstsein dafür haben viele nicht am Schirm«, analysiert Nagele.

Eine Einschätzung, die auch Thomas Hotko von der Agentur brainds teilt: »Oft wird Marke mit Logo verwechselt. Auch heute sagen viele Entscheidungsträger noch: ›Das soll mir doch eine Agentur machen.‹« Das Konzept  einer Marke, die extern entsteht, muss den MitarbeiterInnen mühsam vermittelt werden – und wird von denen dann oft nicht verinnerlicht. Darum geht brainds den umgekehrten Weg. Ihr Brand Prototyping ist eine Methode für mitarbeiterstarke Unternehmen und Organisationen; die Markenentwicklung setzt innerhalb des Unternehmens an: Bereits bei der ersten Analyse sind interne Stakeholder eingebunden. Sie diskutieren in moderierten Fokusgruppen, in denen alle aktuellen Aspekte der Marke abgeklopft und zukünftige Möglichkeiten ausgelotet werden. In Workshops entstehen schließlich verschiedene Markenwelten. »Brand Prototyping basiert auf der Erkenntnis, dass Emotionen bei strategischen Entscheidungen immer mitspielen«, erklärt Thomas Hotko. »In einer Markenwelt müssen kulturelle und emotionale Phänomene spürbar gemacht werden: über Wörter, Bilder und andere Sinnesreize.«

(c) Reinhard Lang
Markenquiz

Quelle: European Brand Institute, Foto: Reinhard Lang

Tradition – wertvoll oder vestaubt?

Derzeit verhilft Thomas Hotko der MedUni Wien auf diese Weise zu einem neuen Markenauftritt. In Workshops erarbeiten VertreterInnen aus Lehre, Forschung und Klinik gemeinsam mit Studierenden und dem Rektorat unter Anleitung das Selbstbild, das die MedUni Wien in Zukunft vermitteln will. Die MedUni Wien, Gründungsfakultät der Universität Wien vor 650 Jahren, ist seit zehn Jahren eigenständig. Damals musste rasch ein Logo entwickelt werden – für eine genaue Analyse der Werte der Universität war keine Zeit. »Einerseits repräsentiert die MedUni Wien Tradition, Glanzzeiten und Nobelpreisträger, andererseits moderne Forschung, Lehre und Kompetenz«, sagt Johannes Angerer, Leiter Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit an der MedUni Wien. »Jetzt ist es an der Zeit, ein klares Profil zu erarbeiten und zu zeigen.« Für ihn steht fest, dass man Profilierung nicht »am Reißbrett erfinden kann«. Daher hält er auch bei der Markenentwicklung eine möglichst breit angelegte Partizipation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für unumgänglich. »Wir müssen uns fragen: Können wir das wirklich, was wir darstellen wollen? Wo sind wir wirklich spitze und was können wir nicht?« Deshalb sieht er im Brand Prototyping den idealen Weg, alle und alles in der MedUni Wien unter einen Hut, also eine Dachmarke, zu bringen. In den Workshops sind Angerer und Hotko mit unterschiedlichen Wahrnehmungen der MitarbeiterInnen konfrontiert. Zum Beispiel weckt der Begriff »Tradition« in Kombination mit der MedUni Wien gegensätzliche Assoziationen – für die einen bedeutet sie ein großes Plus, besonders, wenn es um internationale Kongresse geht. Andere hingegen stoßen sich an diesem Wort. Als »verstaubt« und »nicht zeitgemäß« wird es von, insbesondere jungen, ForscherInnen oft empfunden. Trotz dieser Differenzen gibt es Ergebnisse, die in drei visualisierten Markenwelten zusammengefasst wurden und aus denen die Marke MedUni Wien abgeleitet wird. Welche Markenoption – oder welcher Mix daraus – schließlich gewählt wird, entscheidet sich im Herbst.

Mehrwert: Identität

Als Konsequenz muss viel in die neu geschaffene Marke investiert werden, wie Thomas Hotko zugibt: »Die Markenentwicklung betrifft das Corporate Design und damit auch fast immer die Architektur, zumindest bei Beschilderungen und Leitsystemen.« Doch investiert man in die Entwicklung und Umsetzung der Marke, lohnt es sich in vielerlei Hinsicht. Vielen ist gar nicht bewusst, welchen Wert die Marke für ihr Unternehmen darstellt. Für die MedUni Wien ist eine starke Marke gar überlebensnotwendig: »Der Wettbewerb im universitären Umfeld wird immer stärker, da heißt es, sich gegenüber öffentlichen und privaten Förderstellen eindeutig zu positionieren«, meint Johannes Angerer. Zudem müsse herausgearbeitet werden, in welche Richtung die Öffentlichkeitsarbeit geht bzw. wo ihr Fokus liegt.

Einen Mehrwert hat Angerer bereits erkannt: »Die Teilnehmenden der Workshop-Gruppen haben ein Wir-Gefühl entwickelt. Das tut uns allen sehr gut«, so Angerer. Oder, wie Thomas Hotko es formuliert: »Die strategische Markenentwicklung fördert die Identität des Unternehmens.«

»Der Bekanntheitsgrad allein bringt gar nichts«

Was ist eine starke Marke? Manfred Enzlmüller, Sachverständiger für Marketing, kann ihren Wert berechnen.

Wer legt wie fest, was eine Marke wert ist?

Enzlmüller: Seit Dezember 2010 gibt es für die Berechnung eines Markenwerts die ÖNORM A 6800. Dabei werden Recht, Markt, Finanzen und verhaltenswissenschaftliche Aspekte berücksichtigt. Man kann damit genau den Wert einer Marke festmachen.

Wozu braucht man Markenwerte?

Enzlmüller: Gemäß den österreichischen Rechnungslegungsvorschriften dürfen immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens – zum Beispiel Marken mit Markenrechten – nur dann in der Bilanz aktiviert werden, wenn sie entgeltlich erworben wurden. Wird ein Unternehmen allerdings verkauft, wird dieser Wert angesetzt. Oft macht der Markenwert 70 bis 90 Prozent des Unternehmens aus. Auch bei Lizensierungen und Markenstreitigkeiten kommt der Markenwert ins Spiel.

Verliert die Marke an Wert, wenn sie verkauft wird?

Enzlmüller: Der Käufer einer Marke kauft einen Vertrauensvorschuss bei den Kunden, die ja auch bereit  sind, das Preispremium dafür zu zahlen. Dem Vertrauen muss der neue Eigentümer der Marke dann ebenso wie der frühere gerecht werden.

Was bedroht den Wert der Marken?

Enzlmüller: Eine Marke ist, wie wir Menschen, anfällig für Viren. Das können Einbrüche im Produktionsbereich, ein Umweltskandal oder sonstige imagegefährdende Ereignisse sein. Der Bekanntheitsgrad allein bringt gar nichts. Ein Konjunkturtief kann genügen – und plötzlich hat niemand mehr Interesse an der Marke, so bekannt sie auch sein mag. Darum muss man eine Markengeschichte langfristig aufbauen und die Marke immer mit neuen Inhalten »aufladen«. Wenn ein Unternehmen den Zug der Zeit verliert, ist es das Schlimmste, was einer Marke passieren kann.

Wie lange brauchen Sie, um einen Markenwert zu berechnen?

Enzlmüller: Vorausgesetzt, es sind valide Daten der letzten drei bis fünf Jahre vorhanden, braucht unser Institut etwa sechs bis acht Wochen.

 

Sie berechnen, was Marken wert sind.