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STUDIO! Ausgabe 2/2023

Coverstory: Lernen und Arbeiten – Hand in Hand mit der KI?

Digitale Helfer wie ChatGPT machen Fehler, können aber vieles schon erstaunlich gut. Wie verändern KI-Tools unser Lernen und Arbeiten?

Text: Klaus Putzer

Wird der 30. November 2022 einmal als technologischer »Kipp-Punkt« in den Geschichtsbüchern stehen? Die an diesem Tag gelaunchte KI-basierte Sprachanwendung ChatGPT hat weltweit für Erstaunen, Begeisterung, auch Skepsis gesorgt. Im Jänner 2023 haben sich bereits 100 Millionen User auf der Seite des Entwicklers OpenAI angemeldet, um ChatGPT zu nutzen. Klar ist: Das lange abstrakt scheinende Konzept »künstliche Intelligenz«, kurz KI, hat sich seitdem als etwas Konkretes ins Bewusstsein von uns allen geschoben. KI-Tools, die große Datenmengen mithilfe von Algorithmen verarbeiten und sich durch maschinelles Lernen so perfektionieren, dass sie am Ende nützliche, »intelligente« Ergebnisse hervorbringen, haben rasant Eingang in unsere Lebensrealität als Lernende,  Lehrende, Arbeitende gefunden.

Das wirft Fragen auf: Wie ändern KI-Tools Wissenserwerb und Arbeitsroutinen, Berufsbilder und Arbeitsmarkt? Wo und wie können wir KI-Tools sinnvoll nutzen, wo liegen die Grenzen des Machbaren und Wünschenswerten?

Falsche Prophezeiungen und neue Fähigkeiten

Dass KI massenhaft Jobs in intellektuell anspruchsvollen Berufen vernichten wird, glaubt Sebastian Eschenbach, Leiter des Department of Digital Economy an der FHWien der WKW, nicht: »Prognosen gehen von unserer aktuellen Tätigkeit mit aktuell typischen Aktivitäten und dem aktuellen Umfang unserer Jobs aus. Dann fragt man: Was davon wird die neue Technologie ersetzen? Ich glaube, diese Perspektive lässt uns nur einen kleinen Teil der Zukunft sehen. Viel wichtiger scheint mir: Wozu befähigt uns neue Technologie? Was können wir mit neuen Werkzeugen, was wir vorher nicht konnten?«

© Gettyimages/Wacomka

»Es gibt gar nicht so wenige erfolgreiche Führungskräfte und Studierende, die sich schriftlich nicht gut ausdrücken können. Längere Texte zu formulieren ist für sie eine Qual und das Ergebnis oft nur  schwer lesbar«, so Eschenbach. »Wenn KI-basierte Chatbots Menschen die Fähigkeit geben, in ihrem Alltag Gedanken besser lesbar auszudrücken, dann eröffnet das viele neue Anwendungsmöglichkeiten, ohne dass es Stellen professioneller SchreiberInnen gefährdet.« Ähnliches gelte fürs Programmieren: Nicht-TechnikerInnen könnten mithilfe von »normaler« Sprache Programmcode generieren, etwa um IT-Systeme an ihre Bedürfnisse anzupassen.

Ohnehin haben sich Prognosen zur Auswirkung von Technologien auf die Arbeitswelt immer wieder als falsch erwiesen, erinnert Eschenbach: »Manuelle Arbeit stirbt aus, hieß es. Und was suchen wir momentan? An jeder Ecke HandwerkerInnen und Servicepersonal für die Gastro.«

Schöne neue KI-Arbeitswelt

Das hieße: Die neue »Intelligenz« technischer Werkzeuge verbessert die Fertigkeiten von »Normalos«, etwa beim Fotografieren, Schreiben, Autofahren oder Übersetzen – die Profis braucht es deswegen immer noch. Was sich wohl verändern wird, sind Anforderungsprofile an unterschiedliche Berufe.

Hilda Helyes, Lektorin an der FHWien der WKW, meint: »Welche neuen Jobs entstehen werden, ist schwierig zu sagen. Bereits heute gibt es Berufe, die wir uns vor ein paar Jahren noch gar nicht vorstellen konnten.« Ob man an der Hochschule bald »Prompt Designer« studieren wird können oder ob das Anweisen von generativen KIs – neudeutsch »prompten« – auf dem Niveau einer Alltagsroutine bleibt, wird sich zeigen.

Fakt ist, dass KI-Anwendungen in der Kommunikationsbranche längst angekommen sind. »Als Journalistin verwende ich ein Programm, das Audiomitschnitte von Interviews transkribiert. Das spart Zeit, und die eigentliche Arbeit beginnt ohnehin erst danach«, berichtet  Birgit Schaller, Journalistin und Lektorin an der FHWien der WKW, aus ihrem Berufsalltag. »ChatGPT habe ich getestet, indem ich das KI-Tool zu einem grob eingegrenzten Thema zehn Überschriften entwickeln ließ – eine durchaus hilfreiche Inspirationsquelle.«

Hilda Helyes nennt einen nützlichen Anwendungsfall für Bilder generierende KIs: »Wer ein Symbolbild sucht, muss heute noch mühsam Stock-Datenbanken nach passenden Motiven durchforsten. Von KI-Tools wie DALL-E oder Midjourney kann ich mit den richtigen Inputs individuelles Bildmaterial erstellen lassen, das in keinem anderen Medium auftaucht, weil es einzigartig ist.«

feelimage | Matern

Laut dem IT-Marktforschungsunternehmen Gartner werden im Jahr 2025 30 Prozent aller Marketingbotschaften gänzlich von KIs stammen, die Bilder und Dialoge eines Hollywood-Blockbusters sollen schon 2030 zu 90 Prozent von KI generiert werden können. Aber, sagt Hilda Helyes: »KI kennt kein persönliches Erleben. ›Storytelling‹ beruht auf eigenen menschlichen Erfahrungen. Sie geben einer  Geschichte erst die Farbe. Menschen kommunizieren mit Menschen, das können KIs – noch – nicht.«

Angst vor der Zukunft müsste demnach nur haben, wer die neuen Möglichkeiten nicht zu nutzen  weiß. Bildungseinrichtungen stehen vor der Herausforderung, junge Menschen fit zu machen für eine Arbeitswelt, aus der KI nicht mehr wegzudenken ist.

Lernen, mit KI zu lernen

Fragt man  ÖsterreicherInnen, welche Rolle KI-Tools in der Schule spielen sollten, sagt die Mehrheit: gar keine! 64 Prozent aller Befragten einer repräsentativen PwC-Umfrage vom Februar 2023 würden KI-Tools gerne ganz aus Klassenzimmern und Hörsälen verbannen.

Quelle: PwC Österreich (Umfrage unter 1.001 Befragten, Februar 2023

Eine realitätsferne Vorstellung, so Birgit Schaller: »Seit Dezember letzten Jahres benutzen unsere Studierenden ChatGPT. An der FH müssen wir schnell reagieren und KI-Tools in die Lehre integrieren – was in meinem Unterricht im Kleinen schon passiert.«

Hilda Helyes schildert, wie das in der Praxis aussehen kann: »Es ergibt keinen Sinn mehr, in einem Workshop einen Pressetext erstellen zu lassen, denn die Studierenden werden die Aufgabe per ChatGPT lösen. Daher lautet die Aufgabenstellung: Lasst den Text einmal von der KI schreiben, schreibt ihn einmal selbst und lasst uns die Resultate vergleichen. So sensibilisieren wir für die Ergebnisqualität. Wer die Kennzeichen eines guten Presse- oder Marketingtextes nicht erkennt, kann nicht beurteilen, ob das Ergebnis einer KI gut ist oder schlecht.« Die Grundprinzipien eines Fachs bleiben meist dieselben. Im Marketing gelten, so Helyes, die »4 Ps« – Product, Price, Place, Promotion – nach wie vor, nur eben in einem digitalen Kontext. Birgit Schaller: »Unsere Studierenden sollten Algorithmen- und KI-basierte Instrumente, wie SEO-Tools, Chatbots, Spracherkennungsoder Bildgenerierungsprogramme, zumindest kennen und testen können. Dieser Schritt ist keine kleine Herausforderung.«

Gesundes Misstrauen

Stefan Strauß vom Institut für Technikfolgen-Abschätzung der ÖAW forscht derzeit im vom Arbeiterkammer Digifonds geförderten Projekt CAIL (Critical AI Literacy) zu den Auswirkungen von KI-Systemen auf die Wissensarbeit. Die größte Gefahr von KI sieht er darin, »dass Menschen zu bloßen Daten-Ressourcen für Maschinen verkommen. Im ethischen Sinne käme das einer Verletzung von Immanuel Kants Selbstzweckformel gleich, wonach der Mensch niemals als bloßes Mittel zum Zweck gebraucht werden soll.«

Aber auch Strauß sieht in KI-Tools eine Chance, Lernen neu zu denken. Sie könnten bei Recherchen genauso unterstützen wie bei der Ideenfindung und Kreativitätsförderung: »Lehrende können KI-generierte Texte für Textanalysen nutzen, um SchülerInnen kritische Medienkompetenz zu vermitteln.« Wichtig sei, KI-Systeme als unterstützende Werkzeuge, aber nicht als Ersatz für menschliche  Denkleistung zu begreifen. Denn mit Intelligenz hätten künstliche Intelligenzen – trotz ihres Namens – nichts zu tun. Schon deshalb, weil sie viele Fehler produzieren. »Wer meint, KI wäre eine Art intelligentes Maschinenwesen, das klügere Ergebnisse erzeugt als ein Mensch, sollte KI-Systeme gar nicht verwenden. Ein falscher Einsatz wäre vorprogrammiert«, warnt Strauß. »Kurz gesagt: Es braucht gesundes Misstrauen.«​

© Valerie Alwasiah/BKA

KI – ODER WIE?

Alle reden davon. Doch nur wenige können auf Nachfrage schlüssig definieren, was eine »künstliche Intelligenz« eigentlich ist. Eine Annäherung.

Künstliche Intelligenz (KI)

Eine allgemein anerkannte Begriffsbestimmung für künstliche Intelligenz (KI) existiert auch nach über 70 Jahren KI-Forschung nicht. Nach einer sehr einfachen Definition beschreibt KI  einen Bereich, der Informatik und Datensätze kombiniert, um Menschen bei der Lösung von Aufgaben zu unterstützen. Dabei kommen maschinelles Lernen (Machine Learning) und Deep Learning zum Einsatz. Beide Methoden versuchen mittels neuronaler Computernetzwerke, das Verhalten des menschlichen Gehirns zu simulieren, und ermöglichen es, aus großen Datenmengen zu  »lernen«.

Machine- und Deep Learning

Während Machine Learning auf vom Menschen vorstrukturierte Daten zugreift, verarbeiten Deep-Learning-Algorithmen unstrukturierte Daten wie Texte und Bilder eigenständig und passen sich selbst ständig an, sodass sich ihre Treffsicherheit laufend erhöht.

Schwache KI

Schwache KI kann eng definierte Aufgaben so erledigen, wie es ein Mensch tun würde, oft bereits besser. Beispiele sind Sprachassistenten wie Siri, selbstfahrende Autos, generative KIs wie Midjourney oder IBM Watson und Bilderkennungsprogramme.

Starke KI

Starke KI oder Artificial Super Intelligence (ASI) löst Aufgaben eigenständig, lernt selbst, plant für die Zukunft und verfügt über ein Selbstbewusstsein. HAL, der Supercomputer aus Stanley Kubricks Film »2001: A Space Odyssey« wäre ein gutes Beispiel für starke KI, denn bis auf Weiteres bleibt sie reinste Fiktion.

»Anschreiben sollte man nicht von ChatGPT verfassen lassen«

Werden schon bald Personalroboter von Chatbots generierte Bewerbungen bearbeiten? Wir sprachen mit HR-Expertin Steffi Bärmann, Lektorin und Forscherin an der FHWien der WKW, über KI im Personalwesen.

Welche Unternehmen verwenden im Bereich Human Resources schon heute KI-Tools?

Steffi Bärmann: Es sind vor allem große, internationale Unternehmen mit großer Datenaffinität, die KI schon lange in ihrer Produktentwicklung einsetzen und sie nun auf den Personalbereich ausweiten, wie etwa Versicherungen, IT-Spezialisten, Player aus der Automobilbranche oder Beratungsunternehmen.

Welche KI-Tools nutzen diese Firmen?

Bärmann: Mit virtuellen Compensation-Assistenten können Unternehmen zum Beispiel ihre eigenen Gehaltsdaten mit einer Benchmark aus dem Markt vergleichen. Die Ergebnisse lassen sich mit Leistungs- und Entwicklungsdaten der MitarbeiterInnen abgleichen, um so zu einer besseren Gehaltsstruktur zu kommen. Beim sogenannten Skill Matching sammelt eine KI auf Online-Jobplattformen Daten zu bestimmten Berufsprofilen. So können Unternehmen einschätzen, welche Kompetenzen ihre Beschäftigten erwerben sollten. Denn vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels kann auch weniger leistungsfähigen MitarbeiterInnen nicht vorschnell gekündigt werden. Besser wäre, sie intern weiterzubilden. Zum Einsatz kommen daneben z. B. Chatbots, die BewerberInnen individuelles  Feedback auf den eingesandten Lebenslauf geben.

© feelimage/Matern

Können sich BewerberInnen KITools zunutze machen, etwa beim ungeliebten Anschreiben?

Bärmann: Wenn jemand sein Anschreiben von ChatGPT verfassen lässt, stellt sich die Frage, wie authentisch das rüberkommt. Davon rate ich ab. Ich könnte mir aber vorstellen, dass KI-Tools für Menschen, die eine Bewerbung nicht in ihrer Muttersprache schreiben sollen, hilfreich sind. Man sollte gegenüber potenziellen Arbeitgebern aber schon ein möglichst authentisches Bild von sich zeichnen.

Sehen Sie Risiken von KI in der HR, etwa was den Missbrauch persönlicher Daten betrifft?

Bärmann: Unternehmen haben sich an die Datenschutzgrundverordnung zu halten. Wenn sie KI-Tools für HR-Prozesse einführen, werden sie daher neben den TechnikerInnen normalerweise auch Betriebsrat und z. B. Ethikrat einbinden. Es muss auch klar sein, dass die Letztverantwortung für Entscheidungen beim Menschen liegt. Amazon musste etwa den Einsatz eines KI-gestützten Recruiting-Tools einstellen, weil es mehrheitlich Männer als geeignete Kandidaten identifizierte. Der Grund war, dass Amazon das Tool mit eigenen Altdaten fütterte und die menschlichen Personaler bis dahin offenbar eher Männer eingestellt hatten. Künftig ist es wichtig, KIProgramme mit einer Datendiversität zu versorgen und alle Entwicklungsschritte gut zu dokumentieren.

© Gettyimages/Wacomka

Was kommt da auf uns zu?

Wo man sich vor künstlicher Intelligenz fürchtet, welche Länder am meisten investieren, was KI künftig für uns erledigt – das zeigen Statistiken, Umfragen und Prognosen.

Wie schaut’s aus mit KI-Start-Ups in Österreich?

In Österreich gibt es mehr als 170 KI-Start-ups.
Über 30 davon sind international tätig.
55 % befinden sich in Wien, 30 % in der Steiermark oder Oberösterreich.
70 % sind öffentlich finanziert.
3 der Start-ups wurden von Frauen gegründet.
Die jährliche Wachstumsrate beträgt 10 %.

(Quelle: EnliteAI, 12/2022)

Wie fließt KI in die Gesetzgebung ein?

Eine Analyse der Gesetzgebung in 127 Ländern zeigt, dass die Zahl der Gesetzesentwürfe, die »künstliche Intelligenz« enthalten, von nur 1 im Jahr 2016 auf 37 im Jahr 2022 gestiegen ist.

Eine Analyse parlamentarischer Beschlüsse in 81 Ländern zeigt, dass die Erwähnung von KI in globalen Gesetzgebungsverfahren seit 2016 fast um das 6,5-Fache gestiegen ist.

(Quelle: AI Index Report 2023, Stanford University, Seite 260)

KI-Revolution gegen die Datenkraken

danube.ai, ein KI-Start-up aus Wien, verspricht maßgeschneiderte Produktempfehlungen, ganz ohne Speicherung persönlicher Daten.

Text: Klaus Putzer

Hat das kleine Wiener Start-up danube.ai den Tech-Giganten aus dem Silicon Valley etwas voraus? CEO Sabine Walch, ehemalige Studentin an der FHWien der WKW, ist davon überzeugt: »Wir sind als europäische KI-Revolution angetreten, die dem hemmungslosen Datensammeln à la Facebook und Co. den Kampf ansagt.« Gemäß dem Slogan »Fixes choice overload for you«, auf Deutsch etwa: »Hilft dir bei übergroßer Auswahl«, verspricht danube.ai, Usern von Websites oder Apps stets passende Empfehlungen anzuzeigen. Etwa zu einem neuen Handy auf geizhals.at oder einer Stelle als Software-EntwicklerIn auf devjobs.at. Dies sind nur zwei Beispiele, wo die KI von danube.ai bereits im Einsatz ist. Sie arbeitet laut Walch ohne Cookie-Tracking und speichert keine personenbezogenen Daten.

»Ausreißer«-Tracking statt Datensammelei

»Wir ordnen KonsumentInnen nicht statistischen Durchschnittsprofilen zu, sondern gehen empathisch auf die Interaktionen auf der Website ein, in Echtzeit. Gängige statistische Tracking-Methoden orientieren sich am Durchschnitt unter Ausklammerung von ›Ausreißern‹, wir dagegen sind ›Ausreißer-Fans‹«, erklärt Sabine Walch, »denn Ausreißer sind der individuell persönlichste Ausdruck, und wir wollen echte Personalisierung.« Die KI hinter danube.ai entwickelten zwei Österreicher innerhalb von zwei Jahren: Philipp Wissgott hat einen PhD für Physik der TU Wien, Klemens Senn schloss, ebenfalls an der TU, ein Studium der Elektrotechnik ab. Sabine Walch stieß im Oktober 2022 zu danube.ai. Ihre Aufgabe ist es, das wirtschaftliche Wachstum des Start-ups voranzutreiben. Künftige Anwendungen für die Empfehlungs-KI sieht Walch auf allen Onlineplattformen, wo die »Qual der Wahl« groß ist, seien es (Food-)Webshops oder journalistische Formate. Aber auch in der Kommunikation und Medien ist danube.ai im Einsatz: »Die Öffnungsrate eines Fachnewsletters, dessen Inhalte wir mittels KI kuratierten, konnten wir um 25 Prozent steigern«, erzählt Walch stolz.

© Marlon Hambrusch

Smarter Medikamententransport

DigiPharmaLogNet, ein KI-gesteuertes System aus Mehrwegboxen und Regalen, soll die Pharmalogistik effizienter, sozialer und ökologischer machen.

Text: Klaus Putzer

Gerald Schneikart vom Institute for Digital Transformation and Strategy (IDS) der FHWien der WKW leitet das Projekt DigiPharmaLogNet, bei dem ein KIgesteuertes Mehrwegbehältersystem entwickelt wird: »Unsere Vision ist ein Logistiksystem aus intelligenten Mehrwegboxen und Regalen, das den Transport von Medikamenten schneller, günstiger und sozial nachhaltiger gestaltet.« An die Stelle der bisher genutzten Wegwerfschachteln treten wiederverwendbare Kunststoffbehälter von BOOXit, die an den Absender zurückgehen. »Das wirft Fragen nach dem schnellsten Rücktransportweg auf«, so Schneikart.

Smarter Medikamententransport: Via Cloud tauschen Boxen und Regale Informationen aus.

© BOOXi

KI für ein schlaues Logistiksystem

Genau hier kommt ein KI-basiertes Routingsystem ins Spiel, das derzeit von Fraunhofer Austria entwickelt wird. Es soll den FahrerInnen eine je nach Art der transportierten Medikamente und je nach Destination optimale Route vorschlagen. Via Cloud-Software kommunizieren die Boxen zudem mit den Regalen der Pharmalogistiker. »Wir arbeiten an einer Infrastruktur, die mit der Box kompatibel ist und eine eigene Intelligenz besitzt«, erklärt Schneikart. So hat das Start-up BOOXit bereits Patente angemeldet für eine Robotik, die die Boxen automatisch befüllt, und für die Boxen selbst. Denn auch die stecken voller »Intelligenz«. Sensoren erfassen laufend Standort und Innentemperatur, in Zukunft bei Bedarf auch Feuchtigkeit oder Erschütterungen. Die Industrie-Softwarekomponenten dafür liefert das Internet-of-Things-Start-up Compunity. Das Wiener Start-up Temprify steuert neuartige Kühlakkus bei, um das bislang gängige, wenig ökologische Trockeneis zu ersetzen. Lassmann Pharma Logistics und Richter Pharma erproben als Erstanwender, welchen Anforderungen eine intelligente Transportbox in der Praxis genügen muss.

Weniger herumschlichten, weniger Stress

Im Ergebnis soll das System den Schwund oder das Ablaufen von Medikamenten verhindern, Zeit und Kosten sparen, durch kürzere Wege und weniger Verpackungsmaterial den ökologischen Fußabdruck verkleinern und schließlich auch die FahrerInnen entlasten: weniger herumschlichten bedeutet weniger Stress. An der FHWien der WKW entwickelt Gerald Schneikart erste einfache Geschäftsmodelle für DigiPharmaLogNet. Vor allem aber bringt er die Stakeholder miteinander ins Gespräch. Der Kommunikationsaufwand ist groß, so Schneikart: »Wer ein altes System durch ein neues ersetzen will, braucht zuallererst die Akzeptanz aller involvierten Parteien.«

Cover STUDIO! 2/2023