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studio! Ausgabe 1/2018

Im Interview: Elisabeth Oberzaucher – „Lachen löst den Knopf im Hirn“

Menschliches Verhalten zu erforschen, ist die große Leidenschaft von Verhaltensbiologin Elisabeth Oberzaucher. Einem breiten Publikum wurde die mehrfach ausgezeichnete Wissenschaftlerin als Mitglied der »Science Busters« bekannt. Im Gespräch mit studio! erklärt sie, warum Menschen Humor brauchen, wie viel Witz die Wissenschaft verträgt und was das alles mit der Partnerwahl zu tun hat.

von Kristina Schubert-Zsilavecz

Welchen evolutionsbiologischen Nutzen hat Humor?

Oberzaucher: Humor war sehr lange ein Rätsel für die Wissenschaft und es gibt für ihn mehrere Erklärungen, die einander wahrscheinlich ergänzen: Bei unseren nächsten Verwandten werden Sozialbeziehungen über die Fellpflege aufgebaut. Affen lausen einander nicht nur, um Körperhygiene zu betreiben, sondern auch, um soziale Beziehungen zu festigen. Denn über die Berührung werden Hormone ausgeschüttet. Wenn wir Menschen unsere Sozialbeziehungen über Fellpflege aufrechterhalten wollten, müssten wir 40 Prozent unserer wachen Zeit damit verbringen, uns gegenseitig in den Haaren zu hängen. Das ist viel Zeit, die man für andere Aktivitäten nicht hat.

Und deshalb hat sich der Humor entwickelt?

Oberzaucher: In einem ersten Schritt hat der Mensch die Sprache als effizienteres Mittel gefunden. Wir können gleichzeitig mit mehreren Menschen sprechen. Allerdings ist Sprache nicht so effektiv, weil die Hormonausschüttung fehlt. Es gibt also Annahmen, dass wir deshalb den Humor entwickelt haben, um dieses Defizit auszugleichen. Die zweite Theorie dazu besagt, dass Humor vor allem für Frauen eine wichtige Rolle bei der Partnerwahl spielt. Humor wird als Zeichen von Intelligenz verstanden. Man braucht also ein gewisses Maß an Intelligenz, um lustig zu sein.

Ist Humor universell?

Oberzaucher: Nein, die Geschmäcker sind sehr verschieden. Wenn man also sagt, jemand hat Humor, meint man: Jemand hat den gleichen Humor wie ich. Humor könnte also durchaus auch die Funktion haben, Werte abzutesten und so die Kompatibilität zweier Menschen zu überprüfen.

(c) Christoph Liebentritt

Sie sind seit 2015 Teil des Wissenschaftskabaretts Science Busters. Wie ist es, wenn man Humor zum Beruf macht?

Oberzaucher: Für den Humor ist der Kabarettist Martin Puntigam zuständig. Wir Wissenschaftler sind zwar auch nicht knochentrocken, aber lustig macht uns der Martin. Humor spielt in der Wissenschaft aber eine wichtigere Rolle, als wir oft glauben. Denn nur wenn wir uns nicht zu ernst nehmen, können wir uns ständig hinterfragen. Das größte Problem eines Wissenschaftlers ist, wenn er an das glaubt, was er erforscht. Dann verschließt man sich neuen Erkenntnissen.

In Österreich hat die Wissenschaft ja nicht gerade den Ruf, besonders lustig zu sein. Wie ist das in anderen Ländern?

Oberzaucher: Marc Abrahams, der Erfinder des Ig-Nobelpreises [Anm.: eine satirische Auszeichnung, die kuriose wissenschaftliche Leistungen prämiert] hat beobachtet, dass die Gewinner dieses Preises überdurchschnittlich oft aus Japan und Großbritannien kommen. Diese beiden Länder fallen auf, weil sie die Skurrilität des Menschen besonders zelebrieren. Das tun wir hier in Österreich nicht, skurril und schräg ist eher negativ besetzt. Daher ist das Misstrauen, Humor und Wissenschaft zu vereinen, bei uns sehr groß.

Und dieses Misstrauen möchten Sie mit den Science Busters abbauen?

Oberzaucher: Eines der Ziele ist es, die Brücke vom viel zitierten Elfenbeinturm zur Bevölkerung zu schlagen. Humor ist ein wundervoller Türöffner. Wenn Menschen lachen, öffnet sich die Tür zum Gehirn. Und dann kann man da ein bisschen Wissen reintun. Mit einem Projekt wie den Science Busters erreicht man Zielgruppen, die man sonst nicht erreicht. Wissenschaft als Lebensphilosophie weiterzugeben, ist etwas Schönes.

(c) Christoph Liebentritt

Bei den Science Busters sind Sie die einzige Frau. Generell gibt es wesentlich weniger Frauen im Kabarett als Männer. Kauft man Frauen Humor weniger ab?

Oberzaucher: Eine evolutionsbiologische Theorie sagt: Frauen brauchen nicht so lustig sein, die brauchen nur lachen. Da muss man vorsichtig sein, denn bei solchen Phänomenen reden wir immer über Wahrscheinlichkeiten und Verteilungen. Das heißt, im Durchschnitt mag es so sein, dass Männer eher Humorproduzenten und Frauen eher Humorkonsumentinnen sind, aber da gibt es immer einen großen Überlappungsbereich.

Mittlerweile gibt es aber auch großartige Humoristinnen und Kabarettistinnen …

Oberzaucher: So ist es. Es kann durchaus auch sein, dass wir noch immer Zeugen einer historischen Entwicklung sind, in der Frauen diese Rollen nicht zugetraut wurden. Zugleich ist es für Frauen immer schwierig, in der Öffentlichkeit zu stehen, weil es ein hohes Risiko für Angriffe gibt. Und da stellt sich umgekehrt die Frage: Ist es das wert? Ich glaube, negative Effekte bleiben keiner Frau erspart, die in irgendeiner Form sichtbar ist.

(c) Christoph Liebentritt

Glauben Sie, dass wir gesamtgesellschaftlich gesehen zu wenig lachen?

Oberzaucher: Ja, absolut. Humor ist zu bestimmten Anlässen erwünscht, ansonsten hat das Leben ernst zu sein. Es entspricht unserer Lebenshaltung: Wenn man lacht, arbeitet man nicht, ist faul, leistet nichts und muss deshalb zurechtgewiesen werden. Dabei ist Lachen ein Motivator und sehr gesund. Durch das Lachen können Spannungen gelöst werden und es ist wichtig für das soziale Miteinander. Es löst auch den buchstäblichen Knopf im Hirn, wenn man bei einem Gedanken nicht weiterkommt. Das Lachen aus Berufen zu verbannen, in denen es gerade um Kopfarbeit geht, ist kontraproduktiv.

Wo holen Sie sich Inspiration für Ihre Forschungs- und Kabarettarbeit?

Oberzaucher: Im Leben, durch das ich mit offenen Augen und möglichst unvoreingenommenem Geist gehe. Die Verhaltensbiologie liefert mehr Inspiration, als es Zeit und Wissenschaftler auf der Welt gibt.

Worüber können Sie lachen?

Oberzaucher: Ich kann sehr gut über mich selbst lachen, ich finde mich und meine Kollegen manchmal sehr seltsam.

Wie stehen Sie als gebürtige Kärntnerin zum Villacher Fasching?

Oberzaucher: Humor ist wie gesagt eine Frage des Geschmacks, mir erschließt sich dieser Humor nicht.

(c) Christoph Liebentritt

Wissenschaftlerin mit Herz, Hirn und Humor

Elisabeth Oberzaucher (Jahrgang 1974) ist Verhaltensbiologin und forscht und lehrt seit 2001 an der Fakultät für Lebenswissenschaften der Universität Wien. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Mensch-Umwelt-Interaktionen, Kommunikation sowie Attraktivität und Partnerwahl.

Seit 2015 ist sie die wissenschaftliche Leiterin des Vereins Urban Human, im gleichen Jahr erhielt sie gemeinsam mit Karl Grammer den als »Alternativen Nobelpreis« bezeichneten und in der Wissenschaft renommierten Ig-Nobelpreis für eine Studie, in der sie erforschte, wie viele Kinder ein Mann zeugen kann.

Oberzaucher ist Mitglied der Science Busters. Das Wissenschaftskabarett, in dem Kabarettist Martin Puntigam in wechselnder Besetzung mit Helmut Jungwirth, Martin Moder, Elisabeth Oberzaucher, Peter Weinberger, Florian Freistetter und Gunkl auf der Bühne steht, hat sich zum Ziel gesetzt, Wissenschaft für alle auf höchstem performativen, wissenschaftlichen und humoristischen Niveau zu bieten. Die Science Busters sind regelmäßig in »DIE.NACHT« auf ORF eins zu sehen sowie bei Bühnenshows im gesamten deutschsprachigen Raum – hören kann man sie auf FM4.

www.oberzaucher.eu

www.sciencebusters.at