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studio! Ausgabe 1/2015

Im Interview: Carl Manner – „Die Schnitten-Erzeugung ist nichts Ernstes“

Im studio!-Interview spricht Carl Manner anlässlich des 125-jährigen Firmenjubiläums über Konstanz und Wandel im Familienunternehmen, die harte Seite der Verantwortung und darüber, warum ihm der Slogan »Manner mag man eben« anfangs gar nicht gefallen hat.

von Wolfgang Knabl

Herr Manner, Sie haben Mitte der 50er-Jahre die Firma Ihres Großvaters übernommen, bis heute leiten Sie den Aufsichtsrat. Wollten Sie eigentlich jemals etwas anderes machen?

Manner: Wollen nicht, aber ich habe etwas anderes studiert. Das war zu einer Zeit, wo es politische Schwierigkeiten gab. In der unseligen Nazizeit waren wir als schwarzer, katholisch geprägter Betrieb suspekt, weil sich die Nazis ja selbst als Heilsbringer sahen. Die Nachkriegszeit war auch nicht einfach, niemand wusste, wie es weitergeht.

Wer derzeit studiert, tut dies auch in wirtschaftlich turbulenten Zeiten …

Manner: Das zu vergleichen ist aber ein Scherz!

Es war nicht als Vergleich gemeint …

Manner: Das ist wie 1 zu 1.000. Natürlich wird auf der Welt auch heute viel Unfug betrieben. Aber wenn man Krieg und Diktatur selbst erlebt, die Brutalität, das Unmoralische … das prägt. Heldenverehrung ist mir heute noch verdächtig. Ich gehe gerne in die Oper, aber der Wagner hat mich nie gewonnen. Mir sind diese Helden verdächtig, die bei ihm verehrt werden.

Manner wirbt mit Skispringern. Sind das keine Helden?

Manner: Mag sein. Aber friedliche, freundliche Helden. Es gibt Millionen potenzielle Kunden, die man nur übers Marketing, über die Werbung erreichen kann. Im deutschen Markt tun wir uns relativ schwer. Waffeln sind eher dort populär, wo früher die österreichische Monarchie war. In Deutschland regieren auf dem Waffelsektor noch  Billigprodukte. Wie hochwertig unsere Schnitten sind, das müssen wir unseren nördlichen Nachbarn erst beibringen. Deshalb sponsern wir auch deutsche Skispringer. Ein Skispringer steht hoch oben auf der Schanze, da bekommt das Produkt ein hochwertiges Image. Wenn ein Deutscher dann gut springt, haben wir Glück. Weil befehlen kann ich ihnen ja nicht, dass sie gewinnen. Die Österreicher dürfen aber nicht zu sehr versagen, sonst bekommen wir die Schuld (lacht). Man muss sich immer etwas Neues einfallen lassen. Nur von Tradition allein kann man nicht leben.

(c) Philipp Tomsich

Zur Jahrtausendwende gab es Product Placement in Hollywood-Filmen. Wie haben Sie das geschafft?

Manner: Naja, der Hollywood-Star Schwarzenegger hatte insofern Affinität zur Firma, als er gerne Manner Schnitten isst. Jemand von unserer Familie hat damals das Marketing gemacht, den Kontakt hergestellt. Dann hat es dieses Product Placement in ein paar Filmen gegeben. Das ist allerdings nicht das, womit wir unseren Export forcieren. Der Markt in den USA funktioniert sehr protektionistisch, da kommt man nicht leicht rein. Aber wir müssen in Bewegung bleiben. Als ich begonnen habe, lag der Exportanteil bei unter 10 Prozent. Heute sind es 60 Prozent. Wir versuchen, das weiter auszubauen. Die Maschinen werden immer größer und leistungsfähiger, das muss man dann auch absetzen. Ich habe ja Verantwortung gegenüber dem Unternehmen und den Mitarbeitern. Natürlich ist das manchmal schwierig. Wir haben ein großes Investitionsprogramm laufen, das Konzentration bedeutet. Da müssen wir leider einen Betrieb in Oberösterreich schließen. Das ist die harte Seite der Verantwortung. Da muss man durch. Aber wir engagieren uns sehr, dass dort ein Nachfolgebetrieb – nicht von uns – installiert wird, in dem die Mitarbeiter beschäftigt werden.

Vor uns steht die Manner-Wertepyramide. Neben »Verantwortung« steht darauf »Teamwork«. Wie konstant, wie wichtig sind diese Werte in einer Welt, die sich schnell ändert?

Manner: Diese symbolische Darstellung habe nicht ich erfunden. Ich beschäftige mich eher mit konkreteren Dingen. Aber natürlich ist das wichtig, was da draufsteht. Externe Orientierung, dazu braucht man ein ordentliches Team. Auch Teamwork ist sehr wichtig. Wenn man nicht zusammenhält, erreicht man nichts. Da muss man von waagerecht bis senkrecht gute Verhältnisse schaffen. Das ist ein wichtiger Wert unserer Firma. Wir versuchen, unsere Mitarbeiter möglichst gut zu behandeln und auch zu beschäftigen. Man muss natürlich schauen, dass man weiterkommt auf der Welt. Das geht oft nur über Optimierung. Die Personalanzahl bleibt trotzdem in etwa gleich. Es verschiebt sich. Wir hatten früher keine Pressereferentin, kein Marketing-Team. Dafür haben mehr Techniker an den Maschinen geschraubt. Wie ich eingetreten bin, haben wir mit 700 Mitarbeitern 3.000 t erzeugt. Heute erzeugen wir mit 700 Mitarbeitern 45.000 t. Ohne Computer würden wir lieb ausschauen.

(c) Philipp Tomsich

Als Nächstes steht Leistung auf der Pyramide …

Manner: Ja, wenn man sich zurücklehnt, kommt nichts Neues. Es ist aber wichtig, dass es gelegentlich etwas Schöpferisches, Neues gibt. Wir arbeiten auch an Programmen, die Mitarbeiter noch mehr einzubinden. Aus einem Potenzial von 700 Leuten kann unter Umständen allerhand herauskommen. Das muss man natürlich forcieren. Man kann nicht immer selber Einfälle haben.

Hinter Ihnen hängt ein Kruzifix. Wie wichtig ist der Glaube für Ihre Werte?

Manner: Die moralischen Werte, die in Europa auch über das Christentum verbreitet werden, sind für die Gesellschaft sehr wichtig. Das sollte man forcieren. Mir persönlich hilft es auch, in die Kirche zu gehen. Die Kirche bringt uns zudem gute Kontakte.

»Manner mag man eben«: Der Slogan ist seit den 70ern Kult. Standen damals andere Slogans zur engeren Wahl?

Manner: Ja, aber die waren nicht so gut. Wobei ich gestehen muss: Mir hat »Manner mag man eben« am Anfang gar nicht gefallen. Ich war durch den Zweiten Weltkrieg ein bisserl verschreckt. Der Stabreim hat ja altgermanischen Ursprung, wurde auch von der NS-Propaganda gerne verwendet – daher war mir der Stabreim sehr verdächtig und unsympathisch. Aber jetzt geht das über die Ideologie hinaus.

(c) Philipp Tomsich

Wird der Slogan für die östlichen Exportländer übersetzt?

Manner: Nein. Das funktioniert nur auf Deutsch. Im Ausland werben wir mit »The taste of Vienna«. Wir positionieren uns als Süßwarenbotschafter. Die Wertigkeit, die Geschichte, der Wien-Faktor, damit punkten wir. Schon mein Großvater hat den Stephansdom auf die Verpackung gedruckt, über den Dom und unter den Manner-Schriftzug hat er »Wien« geschrieben. Wien ist natürlich die viel größere Marke als Manner. »The taste of Vienna« passt zum Stephansdom. Ausnahmen machen wir nur, wenn wir in den arabischen Raum exportieren, da müssen wir den Dom weglassen. Ansonsten sind wir konstant. Der Stephansdom beschützt uns seit 125 Jahren, dem bleiben wir treu.

Welche Gefahren birgt die Konstanz?

Manner: Wir sind eine Marke mit Geschichte, machen jeden Design-Relaunch sehr sanft. Es gab auch nie die Verlockung, das Rezept bei den Schnitten zu ändern. Wenn die Haselnüsse teurer werden, hätte man zwar gerne manchmal etwas verändert. Aber da fühlen wir uns der Qualität verpflichtet. Bei unserem optischen Auftritt haben wir das Glück, dass mein Großvater die Idee hatte, alles rosa zu machen. Ich war schon als Baby von viel Rosa umgeben. Die Farbe haben wir uns dann markentechnisch absichern lassen, sind ihr treu geblieben. Die Gefahr der Konstanz liegt darin, dass man langweilig wirken könnte. Da braucht man jugendlichere Ideen. Ich muss mich dann manchmal verstecken (lacht). Wollen wir jugendlich wirken, können wir nicht mit einem 85-Jährigen werben. Deshalb haben wir Skispringer, die sind normalerweise bedeutend jünger als ich.

(c) Philipp Tomsich

Ihr Tipp für FH-Studierende?

Manner: Spezialisierung wird immer wichtiger. Es gibt gewisse Bereiche, die übergibt man heutzutage besser den Profis. Zum Beispiel haben wir die Logistik ziemlich ausgelagert: Die Verteilung unserer Produkte muss nach wie vor über den Handel erfolgen, aber dessen Strukturen ändern sich laufend. Mein Großvater hat noch an einzelne Geschäfte ausgeliefert. Ich bin 1953 mit kleinen Lastautos zu jedem einzelnen Geschäft gefahren. Das waren ein paar Hundert Adressen in Wien, und jedes hat einen Karton Manner Schnitten bekommen. Dann sind Großhändler gekommen, haben sich zu noch größeren Gruppen zusammengeschlossen – international ist das besonders krass.

Haben Sie noch eine Botschaft für unsere Leserinnen und Leser?

Manner: Botschaft? Bitte nicht so hochtrabend. Richten Sie den Studenten aus: Es kann manchmal durchaus zweckmäßig sein, die Dinge locker anzugehen. Man sollte sich selbst nicht zu wichtig nehmen. Wir Österreicher können ja von unserem Image profitieren, dass wir eher lockere Typen sind. Man sollte nicht alles so ernst nehmen. Auch die Schnitten-Erzeugung ist nichts Ernstes. Aber wir leben davon.

(c) Philipp Tomsich

Carl Manner

Carl Manner wurde 1929 in Wien geboren. Nach seinem Studium der Mathematik und Physik an der Universität Wien mit abschließender Promotion stieg er 1953 in das 1890 gegründete Unternehmen seiner Familie ein.

2008 wechselte er in den Aufsichtsrat, in dem er bis heute den Vorsitz innehat. Geleitet wird das Unternehmen von vier Vorständen. Manners ethische Grundsätze sollen auch in Zukunft erhalten bleiben – dazu führt er ein Projekt mit dem Center for Governance & Business Ethics der FHWien der WKW durch.