Es ist nicht lange her, da war der „Immokurier“ Freitagabend Pflicht für Wohnungssuchende. Wer die Nase vorn haben wollte, fing einen der Kolporteure ab, die mit der frisch gedruckten Ausgabe durch Heurige und Bahnhofshallen zogen. Die träge Masse folgte dann zu Wochenbeginn. „Montag war unser intensivster Tag“, erinnert sich Friedrich Csörgits, Immobilienexperte und Herausgeber von Leadersnet Immobilien, der damals bei dem Bauträgerunternehmen Cottage Baugesellschaft, einer Tochter der Aucon Immobiliengruppe, in der Geschäftsführung für Marketing und Sales verantwortlich war. „Denn am Samstag standen die Anzeigen im „Kurier“, in der „Presse“ und im „Standard“. Darauf kamen am Montag 80 bis 100 Anrufe! Die haben wir entgegengenommen und den Rest der Woche abgearbeitet.“
Immo-Suche 24/7
Die Wochentaktung der Ära Festnetztelefon ist inzwischen längst Geschichte. Doch wie genau haben Digitalisierung und KI den Wohnungsmarkt verändert? Und wem bringen diese Neuerungen Vorteile?
Friedrich Csörgits hat viele detaillierte Antworten. Doch zunächst stellt er den offensichtlichsten Unterschied zu damals fest. HändlerInnen und ihre Angebote sind heute 24/7 im Internet präsent: „Entsprechend kommen auch bei allen Bauträgern und Maklern laufend Anfragen herein.“ Ein Vorteil für beide Seiten. Suchen kann man, wenn es zeitlich passt. Und auch der Workflow der VerkäuferInnen ist entspannter. Beide Seiten machen weniger „leere Kilometer“, wie Csörgits es nennt, denn KundInnen filtern die Angebote digital vor, grenzen genau ein, in welcher Lage sie wie viele Quadratmeter suchen und was sie dafür zu zahlen bereit sind. Die Ergebnisse, die digitale Plattformen in der Folge ausgeben, enthalten dann bereits jene Informationen, die Csörgits und seine KollegInnen an besagten Telefon-Montagen der 90er-Jahre mühevoll ausdruckten, in Briefumschläge steckten und als Portfolio verschickten. „Wer heute auf eine Anzeige reagiert, hat meist schon Fotos, Renderings und Videos gesehen und eine ziemlich genaue Vorstellung von dem Objekt.“
Doch mit diesen Möglichkeiten sind auch die Ansprüche der Kaufinteressierten gestiegen. Sie wollen sich ein Objekt möglichst haptisch vorstellen können. MaklerInnen, die Schnappschüsse mit dem Handy aufnehmen und online stellen, sind da nicht mehr State of the Art. „Plattformen wie beispielsweise ImmoScout24 bieten regelmäßig Fotoshooting-Kurse für Makler an, wo gelehrt wird, Räume vorteilhaft zu fotografieren“, erzählt Csörgits, der von sich sagt, dass er „leere Parkettböden, blanke Heizkörper und Flügelfenster im Gegenlicht“ längst nicht mehr sehen will.
Home Staging: Magie mit Möbeln
„Home Staging“ lautet deshalb das Zauberwort. Dabei richten spezielle InneneinrichterInnen, „Home Stager“, Räume als mögliches Zuhause her. „Diese Methode wird eher im Eigentumsbereich angewandt, wo entsprechende Kaufpreise in Aussicht stehen. Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, weil sich Wohnungen so um ein Vielfaches schneller verkaufen lassen. Oft wird im Anschluss sogar gefragt, ob man die Möbel gleich mitkaufen kann.“ Das geht nicht immer. Denn oft sind beim Home Staging Attrappen im Einsatz: Ein Pappgestell, mit Decken und Polstern dekoriert, das bei der Besichtigung wirkt wie ein kuscheliges Bett.
Gerne setzen Home Stager auch farbliche Akzente: Sie streichen etwa eine Wand nachtblau und stellen einen pinken Stuhl davor. Zu exzentrisch sollte der Stil allerdings nicht ausfallen, schließlich soll er verschiedene Vorlieben ansprechen. „Scandinavian Design gefällt eigentlich immer“, sagt Csörgits. „Das ist klar, neutral, hell in der Optik und gleichzeitig warm in den Farben. Natürlich gibt es Hard Facts, die zählen: Lage und Preis müssen passen. Danach unterscheiden sich aber viele ähnliche Wohnungen durch Emotionen. Und die erzeuge ich als Verkäufer, indem ich in den Wohnungen ein mögliches Leben, mögliche Geschichten inszeniere. Wir haben es richtig gemacht, wenn die Leute eine Wohnung besichtigen und sagen: ‚Genau so würde ich gerne wohnen.‘“
Virtual Staging: Ein Zuhause rendern
Das digitale Gegenstück zum „Home Staging“ nennt sich „Virtual Staging“. Für diese Inszenierung werden Räume aus einer vorgegebenen Höhe und einem bestimmten Blickwinkel fotografiert, um sie in der Nachbearbeitung digital einzurichten. Unternehmen wie die Wiener RealAgency sind auf dieses Service spezialisiert. In leere Parkettfluchten rendern sie Sofas, Zimmerpflanzen und Regale, die den Raum als Wohnraum spürbar machen. „Virtual Staging setzen Verkäufer vor allem dann ein, wenn sie viele Wohnungen mit identem Grundriss haben, bei denen die Mieter nicht unterscheiden, ob sie im zweiten oder zehnten Stock wohnen. Teilweise ist hier auch schon generative KI im Einsatz: Smarte Programme richten die Wohnungsfotos automatisch ein.“
Ob es bald auch so weit sein wird, dass die KI der Suchplattform erkennt, wer sucht, und die Wohnung entsprechend möbliert – für ein Pensionistenpaar anders als für die
Studentin mit Katze? „Ich glaube, es wird nicht lange dauern, bis auch das technisch möglich ist“, sagt Csörgits.
Storytelling statt Stereotype
Ganz real hilft KI schon heute bei der Formulierung von Immobilieninseraten. MaklerInnen laden Fotos in eine Software. Die KI analysiert die Bilder und schlägt eine passende Formulierung für die Annonce vor. Csörgits findet das generierte Wording allerdings oft zu trocken. „Ich bin ein Freund des guten Storytellings. Wenn die Wohnung einen Balkon westseitig hat, könnte man schreiben: Das Glas Rotwein im Sonnenuntergang genießen. Wenn er ostseitig ist: Frühstücken in der Morgensonne! Immo-Anzeigen funktionieren wie ein guter Zeitungsartikel: Sie brauchen eine starke Headline.“
Auch der Kaufpreis lässt sich digital ermitteln. Verschiedene Tools, die mit den entsprechenden Parametern gespeist werden, geben einen Schätzwert an, der ähnlich präzise wie ein Wertgutachten ist. „Viele Käuferinnen und Käufer wollen trotzdem mit uns verhandeln“, sagt Csörgits und gibt zu bedenken, dass Immo-KäuferInnen in der Regel von einer Wertsteigerung ausgehen können. Daher würden Verkäufe auch immer wieder über Höchstbieterverfahren umgesetzt. Die haben den Vorteil, dass sie auch KundInnen erreichen, die an sich innerhalb einer niedrigeren Preisspanne suchen und beim Startpreis landen – der sich in der Folge wohl noch nach oben bewegt: „Auch für dieses Preisverfahren gibt es mittlerweile tolle digitale Lösungen.“
Die vier Ps des erfolgreichen Marketings
Was sonst noch wichtig ist, wenn man erfolgreich Immobilien verkaufen will? „Product, Price, Place, Promotion“, zählt Friedrich Csörgits die vier Eckpfeiler des Marketings („Marketing-Mix-Formel“) auf und erklärt: „Wie das Bieterverfahren zeigt, kann ich mit dem zweiten P, dem Preis, am schnellsten reagieren.“ Wenn die potenziellen KäuferInnen ihr Gebot erhöhen, zeigt sich, was ihnen die Immobilie wirklich wert ist, und die Immobilienprofis sehen, ob sich ihr Einsatz, ihnen ein neues Zuhause schmackhaft zu machen, gelohnt hat.
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